In deutschen Gefängnissen herrscht Arbeitszwang, sprich die
Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten sind verpflichtet eine ihnen
zugewiesene Arbeit auszuüben, sofern sie „zu deren Verrichtung (… auf
Grund ihres…) körperlichen Zustandes in der Lage“ sind (§ 41
Strafvollzugsgesetz).
Mediale Rezeption
Immer mal wieder finden sich in Zeitungen und Zeitschriften Berichte
über Gefängnisarbeit; exemplarisch soll im Folgenden über je einen
Artikel im „Staatsanzeiger“, sowie im sehr wirtschaftsnahen Monatsmagazin „impulse“ berichtet werden.
Staatsanzeiger
Diese Wochenzeitung berichtet überwiegend über die politischen
Entwicklungen in Baden-Württemberg, insbesondere die Tätigkeit der
Landesregierung und des Landesparlaments in Stuttgart, ist zugleich
amtliches Veröffentlichungsorgan für Bekanntmachungen.
Am 30.03.2012 wurde in der Rubrik „Service für den Mittelstand“ über die
„Produktion in Gefängnissen“ informiert. Die Schlagzeile deutet schon
die Richtung an: „Mittelständler profitieren von guter Arbeit der
Häftlinge“. Dargestellt wird, wie sich Haftanstalten im Land „als
Alternative zu Osteuropa und Asien“ positionieren würden. Informiert
wird über die äußerst günstigen Arbeitskosten, weshalb Gefängnisse auch
als „China in Deutschland“ gelten würden.
Bei Gefangenenlöhnen zwischen 8,51 Euro und 14,13 Euro (pro Tag!) würden
sich nicht nur „Produktionsspitzen ausgesprochen günstig abfedern“
lassen, sondern laut des Unternehmensberaters Roland Kölsch (MSO
Consulting) seien die Produkte „oft besser als im Billigausland“. Und
der Werksleiter der Firma MTU (diese stellt u.a. für den Eurofighter in
der JVA Straubing Triebwerksteile her) darf sich in dem Artikel davon
beeindruckt zeigen, „mit welcher Begeisterung hier (im Gefängnis) für
1,80 Euro die Stunde gearbeitet“ werde.
impulse
Nach eigenen Worten ist die Monatszeitschrift ein Blatt, das sich insbesondere an den Mittelstand und Unternehmenslenker wendet.
In der März-Ausgabe (03/2012) wird auf acht Seiten und unter der
Überschrift „Recht und billig“ über Gefangenenarbeit berichtet.
Sinnigerweise vom selben Autor des schon oben erwähnten Artikels, Felix
Wadewitz. Erneut wird die Firma MTU in den Mittelpunkt gerückt; so sei
der Standort in der JVA Straubing sogar als „Luftfahrtbetrieb für
Luftfahrtgeräte der Bundeswehr“ zugelassen und „an der
Eurofighter-Produktion beteiligt“.
Amtsrat Zettl (JVA Straubing) darf verkünden, dass man sich nicht mehr
„hinter unseren hohen Mauern verstecke“, sondern in die Offensive gehe,
um die JVA zur „Topadresse für die Wirtschaft“ zu machen.
Alleine in dessen Anstalt werden, laut dem impulse-Beitrag, 7 Millionen
Euro Umsatz im Jahr geschafft, in ganz Bayern waren es 45 Millionen
Euro.
Berichtet wird auch aus anderen Gefängnissen, so von einer Stieber
GmbH, die in der JVA Schwalmstadt Pokale (Wochenproduktion 10 000 Stück)
zusammenschrauben lasse. Der Geschäftsführer Axel Stieber zeigt sich
enthusiastisch.
Oder in der JVA Freiburg: die Firma Faller, die Modellmotoren zuvor im
Ausland hatte bauen lassen, holte die Produktion zurück nach Deutschland
und vergibt Aufträge nun in die JVA. Firmengesellschafter Horst
Neidhard äußert sich sehr zufrieden über die Zusammenarbeit mit dem
Gefängnis.
Aber auch BMW findet sich hinter Gefängnismauern, oder die Firma Foeldeak, ein Hersteller von Sportmatten.
Bewertung der Berichterstattung
Die beiden Artikel von Wadewitz im Staatsanzeiger und in impulse sind
insofern exemplarisch oder auch symptomatisch für die überwiegende
Mehrzahl der Berichte, weil sie vollkommen unreflektiert das Loblied auf
die Zwangsarbeit singen. Ich verwende hier diesen Begriff der
Zwangsarbeit ganz bewusst, da er sich so auch in Artikel 12 Grundgesetz
findet. Nicht einmal ansatzweise wird thematisiert, was es heißt, wenn
die Arbeitskraft der Inhaftierten ebenso scham- wie bedenkenlos selbst
von Firmen in Anspruch genommen wird, die eine bedenkliche Geschichte in
Bezug auf Zwangsarbeit aufzuweisen haben (wie BMW).
Die Niedriglöhne werden in den Mittelpunkt gerückt, ohne kritisch zu
hinterfragen, wie es sein kann, dass hier der Staat sich faktisch als
Sklavenhalter betätigt, auch für die Rüstungsindustrie!
Anekdotisch und wohl auch zur Belustigung der LeserInnenschaft wird
jedesmal auch auf Projekte wie aus der JVA Hamburg (Santa Fu)
hingewiesen, die mit eigenen Marken aufwarten, z.B. Kochbüchern („Huhn
in Handschellen“) und Spielen („Memory Santa Fu“), oder Berlin
(eingetragene Marke: „Haeftling“, Produkte u.a. Knasthemden und –hosen,
die dann in Geschäften in Berlin gekauft werden kann), und auch Sachsen,
welches sich mit schwarz-weiß gestreiften „Räuchermännchen; Modell
„Gefangener“, in den Wettbewerb stürzt.
Was es jedoch heißt, wenn Menschen mitunter viele Jahre zu
Niedriglöhnen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, und dann nicht einmal
ein Cent in die Rentenkasse geflossen ist, denn in die
Rentenversicherung wird nichts eingezahlt, mit ein Grund, weshalb die
Arbeitskraft so billig vermarktet werden kann, wird nicht beleuchtet.
Auch was es bedeutet, wenn Gefangene Jahr um Jahr erleben müssen, wie
man ihnen verdeutlicht: „Deine Arbeitskraft ist nichts wert“ kommt nicht
vor.
Ausblick
Die Ausbeutung der Ressource „Gefangene“ dürfte in Zukunft weiter
zunehmen, zumal auch die Haftanstalten mit immer mehr Selbstbewusstsein
auftreten und „ihre“ Inhaftierten auf dem Markt präsentieren (so
betreibt Bayern mit www.jva.de laut Berichten eine der professionellsten Plattformen zur Präsentation der Knastbetriebe).
Da die Inhaftierten formaljuristisch keine ArbeiterInnen oder
„ArbeitnehmerInnen“ sind, dürfen sie auch nicht streiken (ein „wilder
Streik“ könnte sogar als Gefangenenmeuterei strafbar sein), die
Möglichkeit der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ist fraglich. Und
wenn sich Einzelne weigern dem Arbeitszwang nachzukommen, können die
Haftanstalten sie mit Repressalien konfrontieren: Disziplinarmaßnahmen
und Auferlegung der Haftkosten.
Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
Schönbornstr. 32
D-76646 Bruchsal
www.freedom-for-thomas.de
www.freedomforthomas.wordpress.com
http://www.abc-berlin.net/thomas-meyer-falk-knastarbeit-in-den-medien
giovedì 26 aprile 2012
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