domenica 15 maggio 2011

Interview mit Leuten von ABC Belarus im März 2011


Zur Zeit finden internationale Aktionstage mit den gefangenen Anarchist_innen und sozialen Aktivist_innen in Belarus statt: der Aufruf auf deutsch und englisch.
Im März war eine Gruppe zu Besuch in Hamburg, bei dem folgendes Interview entstand, übernommen von a3yo – Material + Neuigkeiten zu Anarchismus in Osteuropa.

I: Ok, beginnen wir unser Interview mit den Aktivist*innen von Anarchist Black Cross aus Belarus. Wann und warum wurde ABC Belarus denn gegründet?

A: ABC Belarus wurde im Sommer 2009 gegründet, damit wir mit der zu erwartenden Repression besser umgehen können, die in einem oder einem halben Jahr die gesamte anarchistische Bewegung etwas angehen wird und wir haben überlegt, dass es wichtig ist, Geld aufzustellen.

I: Wie sehen denn eure wichtigsten Aktivitäten aus?

B: Ich denke unsere Aktivitäten sind im wesentlichen… Also wir versuchen Menschen zu unterstützen, die im Knast sind und wir versuchen mit Verwandten Kontakt aufzubauen. Wir machen auch Broschüren und versuchen Menschen darüber aufzuklären, die nichts über diese Dinge wissen und so weiter.

A: Wir veranstalten auch Trainings, einige Workshops für Leute, die nicht so vorsichtig sind in der Kommunikation mit der Polizei und damit sie, was weiß ich, etwas davon das es Probleme geben kann und dass sie sich besser bilden sollten. Außerdem schreiben wir Texte und verbreiten Informationen darüber, dass es jeden Moment Repressionen geben kann und jede_n betreffen kann, damit sie sich darauf vorbereiten.

I: Ihr sagt, ihr schreibt Broschüren und Informationstexte, ist das nicht gefährlich, sowas in der Öffentlichkeit zu verteilen und wie bringt ihr die Leute in Kontakt mit eurem Material, wie verteilt ihr das?

A: Hauptsächlich verbreiten wir das über persönliche Kontakte. Ich meine, wenn du zu einem Training kommst, dann findest du diese Sachen da mit Sicherheit und kannst es kostenlos mitnehmen. Und wir geben es Leuten mit, die wir gut kennen und die es in ihren Kreisen weiter streuen können, denen sie vertrauen, damit das nicht an die Polizei weitergegeben wird und so weiter. Die meisten dieser Broschüren gibt es auch im Internet und sie können heruntergeladen und gelesen werden und ich meine es gibt auch ein paar kleine Distros, die das lokal mit verteilen.

I: In Belarus ist es ein Grund, kriminalisiert zu werden, wenn du in einer nicht-registrierten Organisation aktiv bist, wie gehen Anarchist*innen damit um, diese Kriminalisierung abzuwehren?

B: Ja, es ist schwer das zu vermeiden in Belarus. Aber wir versuchen das zu vermeiden, indem wir anderen erzählen, dass es gefährlich sein kann, allen zu erzählen, was mensch so gerade macht und wir sammeln Geld. Aber manchmal verstehen sie einfach nicht, dass es gefährlich sein kann, anderen mitzuteilen, wer mit wem zu tun hat. Es ist eher schwer, das zu vermeiden.

A: In Belarus arbeiten wir nicht als ABC Belarus, wir machen das als einfache Leute, die sich um andere kümmern und als Individuen Geld sammeln und wir machen nicht öffentlich dass ABC Belarus etwas veranstaltet.

I: Vielleicht ist es noch interessant zu erfahren, dass gerade Ende 2010 Wahlen waren, in denen Lukaschenko wieder einmal gewonnen hat. Es gab einigen Protest und unsere Frage ist, wie sich die Gesellschaft danach entwickelt hat, was denkt ihr, was einfache Menschen im Land über die Situation und den Staat und die Zukunft denken?

B: Ich denke, dass vermutlich fast alle in Belarus wissen, dass es keine Wahl gab aber sie wollen nichts tun, sie sitzen nur da, weil sie Angst vor den Konsequenzen haben. Das ist denke ich einer der Gründe, weshalb die Menschen nicht protestieren.

A: Also ich sehe schon eine Radikalisierung der Gesellschaft, die Menschen sind müde von all dem Mist rund um Lukaschenko. Die Menschen reden über Protest und einige sagen auch, es könnte eine Art ägyptischer Revolution in Belarus geben und das kommt nicht von Anarchist*innen oder anderen Aktivist*innen, sondern von einfachen Menschen. Und das passiert auch vor dem Hintergrund, dass alles teurer wird, die Wohnungen, das Essen und das Durchschnittseinkommen stagniert und die Regierung macht offensichtlich falsche Versprechungen. Nach den Wahlen gab es mehr Bewegung, die aber inzwischen wieder abgeflaut ist.

I: Ok, unsere nächste Frage richtet sich auf ein besonders aktuelles Thema, nämlich der Plan Lukaschenkos, ein erstes Atomkraftwerk im von der Tschernobyl Katastrophe so stark geprägten Land zu bauen. Unsere Frage ist, inwieweit eine Art von sozialer Bewegung gegen dieses Atomkraftwerk existiert, vor allem vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan und der Geschichte mit Tschernobyl, was sagt ihr hierzu?

A: Es ist schon schwierig, darüber zu reden, da wir seit der Katastrophe in Japan nicht mehr im Land waren, daher können wir nicht genau sagen, wie es gerade jetzt ist, aber die gesamte Propaganda-Maschinerie des Landes arbeitet intensiv daran, Menschen glauben zu machen, dass das Atomkraftwerk in Belarus das sicherste und beste der Welt sein wird, bla bla bla. Die Menschen nehmen dies durchaus auch für bare Münze und denken, vielleicht ist es tatsächlich so und auch die Menschen in der Regierung glauben ernsthaft es sei eine gute Idee, um beispielsweise auch ökonomisch unabhängiger zu sein. Tatsächlich ist es ziemlich still um diese Frage in der Gesellschaft, es gibt nur eine sehr kleine Bewegung gegen den Bau des Atomkraftwerks.

B: Ich denke, dass das Thema Tschernobyl und Umweltpolitik generell in Belarus mit den Jahren an Einfluss verloren haben. Es ist viele Jahre her, die Menschen trauern zwar immer noch um die Opfer, aber sie bringen es nicht in Zusammenhang mit dem neuen Kraftwerk. Ich denke die Menschen sehen das Problem nicht, sie denken, das neue Kraftwerk wird gut und sicher.

I: Wie kann denn die internationale Solidarität mit anarchistischen Gruppen in Belarus aussehen. Soweit wir informiert sind, beginnt der Bau doch bald, oder?

B: Im September.

I: Ok, im September, und wie denkt ihr, was kann getan werden, um diesen Konflikt und einen generellen gesellschaftlichen Wandel zu unterstützen?

B: Die Situation ist schwierig, das Problem groß und wir wissen nicht genau, was wirklich machbar ist. Bis zum Bau ist nicht mehr viel Zeit, wir versuchen aber trotzdem, Öffentlichkeit zu schaffen. Es gibt natürlich die Möglichkeit den Bau zu behindern oder anzugreifen, dann ist aber mit heftigen Repressionen zu rechnen und viele haben Angst, überhaupt aktiv zu werden.

A: Alle umliegenden Länder außer Russland, das es mit finanziert und baut, haben das Vorhaben für gefährlich erklärt und sagen, sie sind gegen dieses Kraftwerk. Doch Lukaschenko sagt, es wird gebaut. Dies ist eben eine weitere verrückte Idee in seinem Kopf. Es ist wichtig international Druck auszuüben, nicht nur von Regierungen, sondern von der Gesamtgesellschaft, beispielsweise in Polen oder Deutschland oder wo immer ihr euch befindet. Auch auf die internationale Atombehörde kann Druck ausgeübt werden, da sie die Idee der Atomkraft in allen möglichen Ländern verbreiten. Sie sagen, es sei eine gute Idee, solche ein Kraftwerk in Belarus zu haben und so weiter. Und es ist auch wichtig, Informationen über das was passiert, möglichst weit zu verbreiten.

B: Vielleicht versuchen wir den Menschen auch klar zu machen, dass wir bereits genügen Schulden in Belarus haben und diese durch das Kraftwerk noch steigen werden. Das wird sicher interessant sein, zu hören, denn bezahlen werden wir.

I: Eine Frage zu den Krediten. Sind sie aus anderen Ländern und aus welchen genau?

A: So weit ich weiß sind es etwa 9 Millionen Dollar aus der Russischen Föderation, es geht also um eine ganze Menge Geld für das Land. Es gibt so eine internationale Organisation, die Atomenergie als gute Idee darstellt, da kann Druck ausgeübt werden. Darüber kann auch in der EU oder sonstwo diskutiert werden, denn sie sagen, es sei eine tolle Idee, ein Kraftwerk in Belarus zu bauen und blabla

B: Einige Menschen wollen nichts gegen das Kraftwerk tun, da sie hoffen, einen Job zu bekommen.

A: Wir hatten Diskussionen mit lokalen Anwohner*innen, die hoffen neue Jobs zu bekommen. Hauptsächlich werden diese aber an russische Expert*innen gehen, die hierfür eine spezielle Ausbildung haben.

B: Nur etwa 30% der Jobs werden an Arbeiter*innen aus der Region vergeben.

I: Vielleicht noch abschließend zur Antirepressionsarbeit, wie kann internationale Solidarität aussehen, was kann getan werden, vor allem in Bezug auf Antirepressionsarbeit und Gefangenenunterstützung?

A: Am wichtigsten ist es, Informationen zu verbreiten, aber es ist auch möglich nach Belarus zu kommen und die Menschen hier kennenzulernen, denn viele der aktiven Leute hier fühlen sich isoliert und es ist toll, andere Anarchist*innen oder soziale Aktivist*innen kennenzulernen und zu sehen, dass Menschen in sozialen Auseinandersetzungen involiert sind und das rund um die Welt und nicht nur hier. Ein wichtiger Punkt ist auch das Geld, denn das Land ist nicht reich und das gesetzliche System ist sehr teuer, also die Anwält*innen und Strafen und das ist eine Menge Geld für uns und immer eine große Frage, woher es kommen kann.

B: Ich denke, viele Menschen wissen so gut wie nichts über Belarus und die Repression hier und es ist gut Menschen aus anderen Ländern von der Repression gegen Anarchist*innen zu erzählen, so dass sie uns auch mit unseren finanziellen Problemen helfen können, wenn sich möchten und auch Gefangenen Briefe schreiben oder andere Dinge. Es ist gut über die Lage aufzuklären und darüber zu schreiben.

I: Danke für das Interview.



english version
http://www.autistici.org/abc-belarus/?p=133&lang=en

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